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Verschuldensscheidung- Unterstützende Geltendmachung von verziehenen Eheverfehlungen
In seiner Entscheidung 6 Ob 99/20g sprach der Oberste Gerichtshof nunmehr aus, dass sofern auch nur eine nicht verfristete und nicht verziehene Eheverfehlung vorliegt, auch verfristete und verziehene Eheverfehlungen analog § 59 Abs 2 EheG zur Unterstützung einer auf spätere Eheverfehlungen gestützten Scheidungsklage herangezogen werden können. Die neuen Eheverfehlungen brauchen für sich allein nicht für eine Scheidung auszureichen. Sie müssen aber jedenfalls zusammen mit den verfristeten und verziehenen geltend gemachten Eheverfehlungen schwer sein, damit ein Scheidungsgrund vorliegt.
Stand: 12/2021
Gemäß § 49 Ehegesetz (in Folge: EheG) kann ein Ehegatte die Scheidung begehren, wenn der andere Ehegatte die Ehe durch eine schwere Eheverfehlung oder durch ehrloses oder unsittliches Verhalten schuldhaft so tief zerrüttet hat, dass die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr möglich ist. Unterschieden wird zwischen Eheverfehlungen im engeren Sinn - Verletzungen der ehelichen Pflichten iSd §§ 44, 89 bis 92, 94, 95, 97 und 98 ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) - und jenen im weiteren Sinn - ehrloses und unsittliches Verhalten -, welches dazu führt, dass dem anderen Ehepartner die Fortsetzung der Lebensgemeinschaft unzumutbar ist.
Die Eheverfehlung muss objektiv schwer sein, subjektiv als die Ehe zerstörend empfunden werden (RIS-Justiz, RS0056366) und sich während der aufrechten Ehe ereignet haben. Körperliche Gewalt gegen den Ehegatten stellt unabhängig von der Schwere des Vorfalls und ungeachtet des vorangegangenen Verhaltens des anderen Ehegatten eine schwere Eheverfehlung dar.
Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Scheidungsgrund nach § 49 EheG vorliegt, ist nicht jeder einzelne vom Kläger als Eheverfehlung geltend gemachte Tatbestand für sich allein, sondern das Gesamtverhalten des beklagten Ehegatten, soweit darin vom Kläger eine Eheverfehlung erblickt wird, zu beurteilen (RIS-Justiz, RS0056171).
Wurden Eheverfehlungen bereits in einem vorhergehenden Scheidungsverfahren gerichtlich geltend gemacht, kommen diese als Scheidungsgrund iSd § 49 EheG nicht mehr in Betracht; dies gilt jedoch nicht, wenn die Klage nur wegen mangelnder Zerrüttung abgewiesen wurde. Das Recht auf Scheidung wegen Verschuldens besteht gemäß § 56 EheG nicht, wenn sich aus dem Verhalten des verletzten Ehegatten ergibt, dass er die Verfehlung des anderen verziehen oder sie nicht als ehezerstörend empfunden hat, sowie wenn die Ehescheidungsklage gemäß § 57 EheG nicht binnen sechs Monaten ab Kenntnis des Scheidungsgrundes erhoben wird. In letzterem Fall läuft die Frist nicht, solange die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten aufgehoben ist. Fordert der schuldige Gatte den anderen allerdings auf, die Gemeinschaft herzustellen oder die Klage auf Scheidung zu erheben, so läuft die Frist vom Empfang der Aufforderung an. Jene Eheverfehlungen, auf die eine Scheidungsklage nicht mehr gegründet werden kann, können gemäß § 59 Abs 2 EheG aber auch nach Fristablauf zur Unterstützung einer auf andere Eheverfehlungen gegründeten Scheidungsklage geltend gemacht werden.
In der Entscheidung 6 Ob 99/20g sprach sich der Oberste Gerichtshof für eine analoge Anwendung der Bestimmung des § 59 Abs 2 EheG auf verziehene Eheverfehlungen aus. Die nicht präkludierten Eheverfehlungen müssen in diesem Fall nicht für sich allein, sondern bloß gemeinsam mit den verfristeten oder verziehenen Verfehlungen die Schwere eines Scheidungsgrundes erreichen (RIS-Justiz, RS0056907).
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